Geschichten von Angst und Mut

13. September 2013 ♥ 2 x geträumt

Sie sitzt in der Klasse, der Lehrer erzählt etwas, doch sie kann nicht zuhören. Der Junge, der vor ihr sitzt, dreht sich andauernd zu ihr um und macht sich lustig über ihr T-Shirt. Sie hat es von ihrer Oma bekommen und mag es eigentlich, aber jetzt hat sie das Bedürfnis, es sich angeekelt vom Leibe zu reißen. Der Junge hört nicht auf. Sie versucht nicht zuzuhören, doch die Worte lassen sie nicht los. Merkt er nicht, wie sehr sie das verletzt? Sie würde gerne etwas sagen, macht es aber nicht. Schließlich greift ihre beste Freundin ein, der Junge hört lachend auf. Sie schämt sich, dass sie sich nicht selbst verteidigen konnte. Sie schämt sich.

Er steht bei seinen Freunden, sie machen sich über Schwule lustig. Ständig lachen sie. Sie sollen damit aufhören! Er schweigt und kann nichts sagen. Sein älterer Bruder ist schwul, das hat er ihm vor ein paar Tagen erzählt. Ansonsten weiß es keiner. Er will nicht, dass sie so über Schwule reden, denn auch sein Bruder ist einer. Und er liebt seinen Bruder. Die Worte, um seinen geliebten Bruder zu schützen, kann er aber nicht finden. Sie würden ihn auslachen und ihn dumm angucken. Er schämt sich.

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"Hast du Angst?"
"Und wie!"
"Machst du's also nicht?"
"Nein, genau deshalb mache ich es."

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Es gibt diese Menschen, die sprechen können, wenn sie wollen. Diese Menschen, bei denen die Wörter aus dem Mund purzeln, also wäre es keine große Sache, doch du weißt es und ich weiß es: es ist eine große Sache. Es bedeutet so viel, so viel, dass man es nicht messen, nicht realisieren, nicht festhalten kann. Man kann diese Leute nur still anschauen und sich fragen, was für eine Waffe sie besitzen, um den größten aller Gegner, die Angst zu besiegen. Und dann - während man sie weiterhin im Stillen bewundert - leuchtet es einem ein: das ist ihre Waffe. Es ist Mut.

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"Courage is being scared to death... and saddling up anyway." John Wayne

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Du sagst, ich soll Mut haben, doch dieses Wort - so kurz, dass drei Buchstaben schon reichen - haben einen Wert, der unfassbar ist. Mut ist wie ein Schatz und er steht direkt vor mir. Direkt. vor. mir. Und ich stehe da, weiß  dass ich diesen Schatz haben möchte und während ich noch überlege, ob ich kneifen oder zugreifen soll, ist es auch schon verschwunden.