Wer bin ich?

20. Oktober 2013 ♥ 2 x geträumt

Wir sind nicht das, was andere von uns behaupten.
Wir sind nicht der Körper, in dem wir festsitzen. 
Wir sind nicht der Name, mit dem alle nach uns rufen.


Wir sind die Worte, dich sich ihren Weg aus unserem Mund suchen. 
Wir sind die Bücher, die wir lesen, und die Filme, die wir gucken.

Wir sind die Entscheidungen, die wir treffen 
und wir sind die Art, die wir andere behandeln.
Wir sind die Erinnerungen, die uns abends im Bett heimsuchen.
Die Geschichten, die wir erzählen. 
Die Leute, die wir kennen.
Die Gedanken, die unseren Kopf erfüllen, 
und Opfer, die wir bringen oder auch nicht bringen.
Die Fehler, die wir machen.

Identität. :)

Gelbe Federn

15. Oktober 2013 ♥ 2 x geträumt

Gelbe Federn, Werbetext auf dem Bauch. Der Spiegel verschont mich nicht, zeigt mir die Realität, egal wie sehr das mich zerstört.
„Siehst du? Das bist du: eine Witzfigur.“, zischt er voller Abscheu. Ich kann die Augen nicht schließen, kann nicht weggucken von dem Bild, das mich darstellen soll, starre es weiter an.
So sehen mich also die anderen? Was halten sie von mir, wenn sie mir begegnen? Finden sie es witzig? - Bestimmt. Wahrscheinlich würde ich auch lachen, wenn mir so eine Person über den Weg laufen würde.
Ich versuche, das Kostüm zu ignorieren und herauszufinden, wie viel von diesem Mädchen im Spiegel „Ich“ ist. Doch als ich ihr in das Gesicht betrachte, ist dort nur Leere. Ausdruckslos, ohne Emotionen.
Es ist eine Minute nach fünf. Wenn ich noch länger warte und mich selbst bemitleide, komme ich zu spät. Ich seufze, setze mein Lächeln, die ewige Lüge, auf und öffne die Tür.


Die Sommersonne bringt die Menschen auf die Straßen, sie wollen etwas unternehmen, denn heiß ist es hier nur selten und die Chance muss genutzt werden. Der Hunger treibt viele in die Restaurants, die versuchen, Kunden mit allen möglichen Mittlen anzulocken: Rabatte, Gratis-Getränke, in Hühnerkostümen gesteckte Mädchen.

Die Hitze ist quälend, das Kostüm macht jeden Atemzug unerträglich, aber ich darf mir nichts anmerken lassen. Ich muss lächeln. Den Satz aufsagen. „Das Kindermenü heute nur für vier Euro!“ Glücklich wirken. Die Kunden wollen die Wahrheit nicht sehen, wollen nichts von meinen Gefühlen erfahren. Sie wollen essen und unterhaltet werden.
Das ist meine Aufgabe.
Demütigung unterhaltet.

Heute ist besonders viel los, die Straßen sind überfüllt: Familien, zwei Freundinnen mit Einkaufstaschen, ein kleiner Junge, der weinend seine Mutter sucht.
Mein Blick bleibt bei dem Jungen hängen. Er erinnert mich an meine kleine Schwester, Susa. Ein echtes Lächeln umspielt meine Lippen, als die Mutter ihren Winzling findet und in die Arme nimmt.

Eine Gruppe von Mädchen läuft an mir vorbei. Ich drücke einer von ihnen einen Gutschein in die Hand - „Das Kindermenü heute nur für vier Euro!“. Das Mädchen bleibt plötzlich stehen, schaut mir ins Gesicht. Ich erwarte, dass sie mir den Gutschein mit den Worten „Nein, danke.“ zurückgibt. Doch stattdessen starrt sie mich an, als ob sie mich kennen würde. Auch ihre Freundinnen bleiben stehen.
Panik breitet sich in Sekundenschnelle in meinem Körper aus. Wer ist dieses Mädchen? Warum schaut sie mich an? Kennt sie mich - ich kenne sie nicht, oder? Zu viele Fragen, aber keiner, der sie beantwortet.
„Susa, ist das nicht deine Schwester?“
Ich spüre mein Herz nicht mehr, kann nicht atmen. Die Welt hört auf, sich wie ein Irrer um die eigene Achse zu drehen, alles bricht zusammen.
Nun kommt noch ein Mädchen. Sie starrt mich an, wirkt kalt auf dem Gesicht, lässt sich nichts anmerken. Es ist Susa.
„Nein, das ist nicht meine Schwester.“ Sie wendet ihren Blick von mir abund schaut ihre
Freundinnen an. „Gehen wir weiter?“

Meine Gefühle rebellieren, ich möchte nur noch in Tränen ausbrechen und auf dem Boden zusammenbrechen – doch ich kann nicht. Stattdessen schaue ich zu, wie meine Schwester und ihre Freundinnen sich entfernen.

Susa hat nichts davon gewusst. Hat nicht gewusst, dass ich in dieses lächerliche Kostüm schlüpfen musste, damit sie essen, trinken, leben konnte. Dass ich sie die ganze Zeit angelogen hatte, dass mein ganzes Leben eine Lüge war.

„Das Kindermenü heute für nur vier Euro!“ Das Lächeln ist schnell wieder aufgesetzt, die Sorgen in die hinterste Ecke meines Verstands gedrängt. Ich muss weitermachen, muss den Leuten das zeigen, was sie wollen.



Gefühlte Ewigkeiten später stehe ich im Ankleideraum wieder vor dem Spiegel. Er zeigt mir das Bild, erzählt mir meine Geschichte. „Versagerin.“ „Nichtsnutz.“ „Lügnerin.“ Es endet dort, wo es angefangen hat.
Ich will das Kostüm nur noch ausziehen, will es nicht mehr haben, von meiner Haut wegreißen, will diese Last nicht mehr spüren. Ein paar Federn fallen auf den Boden, als ich es in die Ecke des Raumes werfe. Endlich bin ich allein, muss niemanden etwas vorspielen. Dann wage ich einen weiteren Blick in den Spiegel.

Ein schwaches Mädchen steht vor mir. Dürr - die Rippen zeichnen sich in der Haut, kurze dunkle Haare, blasse Haut. Sie ist nichts Besonderes, sie ist ein Irgendjemand. Ich habe Verlangen danach, sie anzuschreien, zu brüllen und niemals damit aufzuhören. Dann würde ich sie fragen, warum sie diese Fehler immer wieder macht, warum sie Menschen, die ihr etwas bedeuteten, so sehr verletzt. Stattdessen sinke ich in mich zusammen und wimmere wie ein kleines Kind.
Ich ekele mich vor dem Mädchen. Sie hat Susa enttäuscht und belogen. Ich habe Susa enttäuscht und belogen. Warum kann ich nicht einmal etwas richtig machen? Warum muss ich immer alles kaputt machen?
Letztendlich kann ich nichts anderes tun, als meine Klamotten anzuziehen, die Tränen wegzuwischen und tatenlos dazustehen, während sich meine Welt immer mehr in eine Hölle verwandelt.



Es ist bereits spät, als ich mit meinem Lohn in der Tasche das Restaurant verlasse. Eine Brise durchstreift meine Arme und die Straßenlaternen beleuchten die Straßen.
Wieder sind viele Menschen unterwegs, sie rauschen an mir vorbei, ohne mich zu berühren, sie sind gesichtslos, leere Seelen. Ich spüre großen Hass für sie. Wie können sie es zulassen, dass das Leben so ungerecht ist? Es ist lächerlich, aber irgendjemanden muss ich die Schuld geben.
Meine Gedanken wandern zu Susa.
Sie wird wütend sein, wird mich anschreien und fragen, wie ich das tun konnte. Stets habe ich ihr erzählt, dass ich studiere und es uns besser gehen wird. Jetzt weiß sie, dass wir keine Zukunft haben, dass es hoffnungslos ist.
Ich beschließe in den nächsten Bücherladen zu gehen und kaufe ein Buch für Susa. Vielleicht wird sie schneller über meinen Betrug hinwegkommen. Ob es ihr gefallen wird, weiß ich nicht, aber das Cover hat mein Interesse geweckt. Den Klappentext habe ich nicht gelesen.
Das Buch ist teuer, aber es ist zu spät, ich habe es gekauft. Sofort bereue ich es. Das Geld muss bis zum Ende des Monats reichen und es wird auch schon knapp, ohne dass ich ein überteuertes Buch kaufe. Was habe ich mir bloß gedacht?



Als ich die Wohnung betrete, wirkt alles leblos, dunkel und still. Eigentlich würde Susa um diese Uhrzeit fernsehen, laut lachen, wenn jemand einen Witz erzählt hat. Wahrscheinlich wollte sie mir nicht begegnen und ist früher ins Bett gegangen.
Das Buch lege ich auf den Tisch im Wohnzimmer und gehe dann duschen.
Auch wenn das Wasser um diese Uhrzeit eiskalt ist, fühlt es sich gut an, als ich zuschaue, wie der Schmutz, die Lügen und die Trauer vom Wasser weggetragen werden. Ich atme tief ein und wieder aus. „Alles ist gut“, versuche ich mich selbst zu überzeugen.
Anschließend gucke ich ein wenig fern, in der Hoffnung, dass es ablenkt und mich auf andere Gedanken bringt. Ein Pärchen streitet sich, doch die Reality-Show macht mich nur müde. Ich schalte den Fernseher wieder aus.
Auch wenn Susa schläft, betrete ich ihr Zimmer, um ihr Gute Nacht zu wünschen.


Ihr Bett ist leer.


Oh Gott, das ist so schlecht. Erinnert ihr euch an die kurze Geschichte, die ich vor Ewigkeiten mal gepostet habe? Ihr könnt das als "Fortsetzung" sehen, auch wenn es wahrscheinlich SEHR, SEHR verwirrend ist. Ich weiß, ich habe in letzter Zeit kaum bis gar nicht geschrieben. Es ist nicht so, dass ich keine Zeit hätte, ich bin einfach nur total unmotiviert.Und außerdem verbringe ich vierundzwanzig Stunden wie eine Abhängige mit dem Lesen von Larry Stylinson FanFiktions. 
Love, dornröschen.